Leben gegen den Trend

Rogate – Betet!

Liebe Schwestern und Brüder im Berneuchener Dienst und im Freundeskreis, liebe Leserinnen und Leser unserer Internetseite!

„Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet.“ Der letzte Vers des 66. Psalms, unser neuer Wochenspruch, kommt sehr zuversichtlich daher: Wer so spricht, hat gute Erfahrungen mit Gott gemacht, weiß sich von ihm gehört, vielleicht sogar erhört, getragen und gesegnet. Aber Gott zu loben ist nicht die einzige Art, wie Menschen ihm begegnen. Es gibt Situationen, in denen es näher liegt zu klagen als zu danken. Wo man Gott eher anschreien möchte als Hosianna zu singen, weil es mehr Elend gibt, als Menschen aushalten können. Die Nachrichten und Zeitungen sind voll davon, Tag für Tag.
In den Psalmen sprechen Menschen solche Erfahrungen aus. Sie beschreiben, was sie erleben und was sie dabei fühlen. Wie sie in schönen ebenso wie in schwierigen Lebenslagen Gott wahrnehmen, wie sie mit ihm reden, welche Worte und Bilder sie wählen, wie ihnen zumute ist. Wir können uns ihre Worte „leihen“ und bei ihnen sozusagen „in die Schule gehen“.
Im Gottesdienst ist Beten eine Selbstverständlichkeit, im privaten Bereich weiß man nicht genau. Obwohl Umfragen zeigen: Viele tun es, aber kaum jemand redet darüber. Es ist ja auch eine sehr private Sache, über sein Verhältnis und den Umgang mit Gott zu sprechen. Wie rede ich ihn an? Spreche ich mit ihr wie mit einer guten Freundin, einem Menschen, den ich liebe? Worüber reden wir? Schön-Wetter-Kommunikation oder quer durch den Gemüsegarten? Und wie gestalte ich diese gedankliche Einbahnstraße? Schließlich antwortet Gott nicht über Schallwellen hörbar oder in Phon messbar. Trotzdem ist da etwas, was uns Menschen lockt, von dem wir mehr ahnen als wissen, dass es wichtig ist und das uns halten kann: Beten. Rogate.
Es gibt viele Arten zu beten, Dank und Lob, Klage und Bitte. Und es gibt eine Art zu beten, die – anders als Lob und Bitte, Klage und Dank – ganz ohne Worte auskommt. „Als mein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte ich immer weniger und weniger zu sagen. Zuletzt wurde ich ganz still. Ich wurde – was womöglich noch ein größerer Gegensatz zum Reden ist – ein Hörer. Ich meinte erst, Beten sei Reden. Ich lernte aber, dass Beten nicht bloß Schweigen ist, sondern Hören.“ Der dies schrieb war einer der großen Theologen und Denker seiner Zeit, Sören Kirkegaard, ein religiöser Mensch, aber auch jemand, dem Zweifel und Skepsis nicht fremd waren. Was er mit diesen Worten beschreibt ist eine Erfahrung, die uns auf den ersten Blick fremd ist, eine Art zu beten, die ohne Worte auskommt und in ein einfaches Sein vor Gott, in ein Du-zu-Du mit ihm führt. Vielleicht wäre das einen Versuch wert, einmal nicht nach Worten zu suchen, sondern darauf zu vertrauen, dass Gott weiß, wer wir sind und was uns bewegt. Mit diesem Vertrauen vor ihm still zu werden, darauf zu achten, wie ich atme, mich dadurch Gott hinzuhalten und nichts zu tun, als da zu sein – das kann vom schweigenden in ein hörendes Gebet führen. Und auch, wenn das erst einmal fremd klingt, gilt doch auch hier die Verheißung: „Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet.“
Ich wünsche Ihnen gute Gebetserfahrungen an diesem Sonntag Rogate und in der neuen Woche.
Ihre Sabine Zorn (BD)

 

Foto: Rudolf Happel

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