Umgekehrtes Vorzeichen
Mit dem Palmsonntag beginnt die Karwoche. Alles geht auf Ostern zu. Aber vor Ostern kommt die Erinnerung an den letzten Lebensabschnitt Jesu.
Am Palmsonntag steht die Geschichte vom Einzug Jesu nach Jerusalem im Mittelpunkt. Der Vergleich mit triumphalen Einzügen von Herrschern liegt nahe. Doch Jesus kommt auf einem Esel daher. Das ist ungewöhnlich für einen „König“. Der Esel ist ein Nutztier, oftmals geringgeschätzt, mit schlechten Eigenschaften belegt. Faul und dumm sei der Esel. Dabei ist der Esel ein Lastenträger, ein friedvolles Wesen mit viel Geduld und Ausdauer, ausgestattet mit einem ausgeprägtem Gehör- und Geruchssinn hervorragendem Sehvermögen und guter Orientierung. Es ist ein Tier des Volkes, weil er zum Transport und in der Feldarbeit nützlich ist.
Jesus wählt dieses Tier aus, um nach Jerusalem einzuziehen. So erzählen es die Evangelisten. Sie sehen darin die Erfüllung jüdischer Prophetie. Jesus ist aus ihrer Sicht der zukünftige Friedefürst, der Messias, der auf einem Esel geritten kommt. Dies entspricht nicht den Herrschern jener Zeit, die mit Pferden in den Krieg ritten oder mit geschmückten Pferden in die Städte einzogen, um ihre Macht zu demonstrieren.
Mit einem Esel lässt sich kein Krieg führen. Ein Esel ist klug und aufmerksam. Sein Instinkt verleitet ihn, bei Gefahr stehen zu bleiben, anstatt wegzulaufen. Das hilft ihm, die Gefahr einzuschätzen und sparsam mit den eigenen Kräften umzugehen. Denn die braucht ein Esel in der Hitze trockener und dorniger Landschaften.
Jesus auf dem Esel entspricht dem Bild des Friedefürsten. Er braucht kein waffenstrotzendes Kriegstier. Er wendet sich von den gewöhnlichen Herrschaftssymbolen ab. Er wählt das Tier, das den Frieden, das Nichtkriegerische, das Demütige und Schwache verkörpert. Er setzt damit ganz andere Vorzeichen seiner Macht und zeigt uns einen Gott, der an der Seite des Volkes, an der Seite der Bedrängten, der Leidenden steht.
Verfasserin: Ulrike Hofmann
Bild: Happel/Hofmann