Mt 41Danach wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt. Dort sollte er vom Teufel auf die Probe gestellt werden. 2Jesus fastete 40 Tage und 40 Nächte lang. Dann war er sehr hungrig.3Da kam der Versucher und sagte zu ihm: »Wenn du der Sohn Gottes bist, befiehl doch, dass die Steine hier zu Brot werden!«4Jesus aber antwortete: »In der Heiligen Schrift steht: ›Der Mensch lebt nicht nur von Brot. Nein, vielmehr lebt er von jedem Wort, das aus dem Mund Gottes kommt.‹«
5Dann nahm ihn der Teufel mit in die Heilige Stadt. Er stellte ihn auf den höchsten Punkt des Tempels 6und sagte zu ihm: »Wenn du der Sohn Gottes bist, spring hinunter! Denn in der Heiligen Schrift steht: ›Er wird seinen Engeln befehlen: Auf ihren Händen sollen sie dich tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.‹«7Jesus antwortete: »Es steht aber auch in der Heiligen Schrift: ›Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen!‹«
8Wieder nahm ihn der Teufel mit sich, dieses Mal auf einen sehr hohen Berg. Er zeigte ihm alle Königreiche der Welt in ihrer ganzen Herrlichkeit.9Er sagte zu ihm: »Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest!«10Da sagte Jesus zu ihm: »Weg mit dir, Satan! Denn in der Heiligen Schrift steht: ›Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihn allein verehren!‹«11Daraufhin verließ ihn der Teufel. Und es kamen Engel und sorgten für ihn.
Aus dem Evangelium nach Matthäus im 4. Kapitel, Verse 1-11:
Liebe Schwestern und Brüder!
„Gibt es den Teufel wirklich?“ Als ich neulich mit meinen Fünftklässlern ins Theologisieren gekommen bin, hat ein Mädchen diese Frage gestellt. Immer wieder habe ich das schon erlebt, dass Kinder die Frage nach dem Teufel umtreibt.
So recht vorstellen kann man sich das ja nicht, dass es ihn gibt. Viel zu sehr gleicht er einem Wesen aus einer Fantasy-Geschichte. Aber immer wieder wird von ihm erzählt: in großen Romanen und Filmen, in verschiedenen religiösen Traditionen, in Märchen und im Kasperletheater.
Die Bibel erzählt gleich mehrfach vom Teufel.
Im Buch Hiob geht Gott mit dem Teufel eine Art Wette ein, er lässt sich vom Teufel herausfordern. Und in der Erzählung von der Versuchung Jesu, tritt der Teufel Gottes Sohn direkt gegenüber.
Gibt es ihn also wirklich – den Teufel? Und wenn ja, was ist das für eine Gestalt? Bocksfüßig und gehörnt, mit stechenden roten Augen, einem Schweif und Schwefelgeruch um sich herum? Oder eher wie Gustav Gründgens als Mephisto?
Über sein Äußeres erfahren wir aus der Bibel nichts, dafür aber über seine Absichten. Er ist der „Diabolos“, wörtlich übersetzt „der Durcheinanderbringer“. Er will die Ordnung aus den Angeln heben – vor allem die Ordnung, dass Gott Gott ist und die Geschöpfe Geschöpfe.
In Gestalt der Schlange ist es ihm einmal gelungen, diese Ordnung zu stören. Die Menschen haben sich verführen lassen: „An dem Tage, da ihr von dem Baum esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist“ (1. Mose 3,5) Seitdem hat der Teufel einen Fuß in der Tür zur Menschheit.
Insgesamt betrachtet ist er jedoch eine tragische Gestalt.
Im heutigen Evangelium tritt er einem ausgemergelten, hungrigen Mann gegenüber, der 40 Tage einsam in der Wüste gefastet hat. Er probiert sein Verwirrspiel bei ihm: „Wenn du wirklich Gottes Sohn bist, dann…“ Vielleicht hat dieser hungrige junge Mann ja doch Selbstzweifel?
Er probiert es mit einer maximal theatralischen Geste: Ein überlebter Sturz von der Spitze des Tempels. Das Stadtgespräch in Jerusalem. Bestes Marketing für die Größe Gottes. Oder nicht?
Und er probiert es mit einem großen Versprechen: Dir soll die Macht gehören.
Doch Jesus lässt sich noch nicht einmal auf das Spiel so richtig ein. Drei Bibelzitate – und der Teufel ist schachmatt.
In der Geschichte von der Versuchung Jesu macht der Teufel keine gute Figur. Warum taugt so eine Gestalt, um den Menschen Angst zu machen – zumal in einer Zeit des aufgeklärten, naturwissenschaftlichen Denkens? Letztlich wissen es doch alle, dass der Teufel eine mythologische Figur ist. Wieso bleibt die Faszination für die Erzählungen vom Teufel? Was für eine Ahnung kommt in der Kinderfrage nach dem Teufel zum Ausdruck?
In der mythologischen Rede vom Teufel wird etwas versprachlicht, was wir in unserem Alltag tatsächlich erleben: Obwohl keiner es will, verhalten sich Menschen toxisch. Man fragt sich manchmal: Was hat mich da geritten, so zu handeln oder dies zu sagen? Als wäre eine Macht am Werk, die uns daran hindert, das Gute zu tun, das wir wollen, und uns dazu verführt, stattdessen etwas zu tun, was Unheil anrichtet. Eine ungute Macht. Ein Durcheinanderbringer.
Die Geschichte von der Versuchung Jesu steht in den Anfangskapiteln des Matthäusevangeliums. Sie bildet den Auftakt für Jesu öffentliches Wirken.
Die Geschichte von der Versuchung Jesu steht im Kirchenjahr am Anfang der Fastenzeit. Manches, was in dieser Geschichte vorkommt, wird am Ende der Fastenzeit wieder vorkommen.
„Wenn du wirklich Gottes Sohn bist“, werden die Menschen sagen, die am Kreuz Jesu vorbeigehen. „Wenn du wirklich Gottes Sohn bist, dann rette dich selbst und steig vom Kreuz herunter!“ (Mt 27,40b) Jesus wird es nicht tun.
Stattdessen wird er den Teufel noch lächerlicher aussehen lassen: Jesus bringt die Ordnung durcheinander, um sie wieder herzustellen. Er tut etwas, was kein Mensch kann. An Ostern ersteht er von den Toten auf. Er kann das, weil Gott Gott ist. Jesus Christus ist Gott und Mensch zugleich. Als Mensch ist er ganz Mensch: er leidet und stirbt. Als Gott ist er ganz Gott. Er ist Herr über Leben und Tod. Er achtet die Ordnung Gott ist Gott und Mensch ist Mensch. Weil er aber Mensch und Gott zugleich ist, kann er durch den Tod hindurchgehen zum neuen Leben. Damit sind alle bösen Mächte grundlegend besiegt.
Der Teufel hat zwar seinen Fuß in der Tür zur Menschheit, aber er hat niemals das letzte Wort.
Das ist der Kern des Osterglaubens: Weil Jesus dem Tod die Macht genommen hat, müssen wir keine Angst mehr haben vor den schrecklichen Dingen, die zweifelsohne in der Welt geschehen. Den Krisen und Katastrophen müssen wir nicht zu viel Macht über uns geben, weil wir uns schon jetzt mit unserem Glauben beim auferstandenen Christus verankern.
Auch heute tritt Gott dem Leid nicht mit aufsehenerregenden Wundertaten entgegen, wie man sie aus Mythen und Fantasy-Geschichten kennt. Wie bei der Versuchung Jesu spielt er seine Allmacht nicht aus. Bescheiden, unscheinbar, aber sehr klar tritt Gott in diese Welt im Mensch Jesus von Nazareth: bedürftig, hungrig, verletzlich. Gott stellt sich uns gleich. Doch der große Unterschied ist: er besiegt Tod und Teufel.
Am Ende hält Jesus Mahl mit den Engeln. Darin liegt die Verheißung für uns: Alle Krisen und alles Leid sind vorläufig. Wenn wir das Mahl miteinander feiern, öffnet sich der Himmel schon jetzt. Am Anfang der Fastenzeit tritt uns der Auferstandene entgegen und lädt uns zu sich ein.
Amen.
Predigt: Dr. Sabine Bayreuther (BD)
Foto: fotocommunity – Engelberg im Kanton Obwalden, Schweiz