Leben gegen den Trend

Der Gute Hirte – Kirche in Neuseeland

Liebe Schwestern und Brüder im Berneuchener Dienst, liebe Freunde und Freudinnen, liebe Leser und Leserinnen unserer Internetseite, zum Sonntag Misericordias Domini – Der gute Hirte – lesen wir eine Predigt von Barbara Neudeck zu 1. Petrus 5, 1-4: Petrus schreibt an die Gemeinde in Kleinasien – heute die Gegend um Türkei und Griechenland:

1 Ich bin ein Gemeindeältester und ein Zeuge für die Leiden von Christus. Deshalb habe ich auch Anteil an der Herrlichkeit, die bald offenbar werden wird. Nun ermahne ich die Gemeindeältesten unter euch:
2 Leitet die euch anvertraute Gemeinde Gottes wie ein Hirte seine Herde! Achtet auf sie. Tut dies nicht aus Zwang, sondern freiwillig. Denn so gefällt es Gott. Handelt dabei nicht aus hässlicher Gewinnsucht, sondern tut das bereitwillig.
3 Spielt euch in eurer Gemeinde nicht als Herrscher auf, sondern seid Vorbilder für die Herde.
4 Wenn dann der oberste Hirte erscheint, werdet ihr den Siegeskranz empfangen, dessen Herrlichkeit unvergänglich ist.

Als ich den Text zum ersten Mal las, dachte ich: da stehen nur Ermahnungen drin! Sind wir überhaupt die richtige Zielgruppe?

Es ist eine Ermahnung eines Gemeindeältesten, von Petrus, an andere Gemeindeälteste. Soll ich nun sagen: alle, die nicht im Gemeinderat sind, können aufstehen und gehen!?

Aber Halt! Die Gemeindeältesten tragen Verantwortung für die Gemeinde. Wie sieht es denn aus, für alle anderen, die Verantwortung für andere tragen? Im Berneuchener Dienst, in Firmen, Leitungen, im Krankenhaus, in Vereinen, Schule und anderen Bereichen? Vielleicht ist der Brief des Petrus auch für sie hilfreich.
Die anderen dürfen gehen!

Aber Halt!  Tragen wir nicht alle in irgendeiner Weise Verantwortung für jemanden? Als Mutter oder Vater, als Schwester oder Bruder, als Partnerin oder Partner, als Freundin und Freund, als Kollegin, als Patient und Bettnachbar?

Vielleicht denken Sie: „Nö – Nein! Die andern gehen mich nichts an! Bin ich denn meines Bruders Hüter?“- so wie Kain antwortete, als Gott nach Abel fragte.
Können wir so ganz allein für uns leben? Sind wir Menschen nicht aufeinander angewiesen?

Wir tragen alle füreinander Verantwortung. Wir sind füreinander Hirten. Hier gilt Luthers Wort: Priestertum bzw. Hirtentum aller Gläubigen. So gelingt ein gutes Miteinander.

Es ist nur die Frage, wie wir füreinander Verantwortung tragen. Als Aufpasser / Aufpasserin? Als Berechnende, damit alle das Gleiche bekommen? Als Glucke, die überfürsorglich alle beschützen möchte? Als autoritär Bestimmende?
Sie sehen, jeder von uns kann in einer Verantwortung stehen. Aber wie üben wir die Verantwortung und die damit verbundene Aufgabe aus?

Petrus gibt uns hier Leitlinien. Um es uns einfach zu machen, macht er es im Schwarz-Weiß-Modus. In der Realität gibt es aber viele Graustufen.

1. Wie sind wir zu dieser Aufgabe gekommen?
Petrus macht den Unterschied zwischen Zwang und Freiwilligkeit. Wie sind wir dazu gekommen: wie die Jungfrau zum Kind – ohne dass es dabei schlecht sein muss? Oder wurden Sie überredet? Unter Druck gesetzt? Wurden Sie gefragt oder gewählt? Oder haben Sie es übernommen, weil Sie die Gabe und Fähigkeiten haben, um diese Aufgabe auszufüllen? Oder sind Sie hineingewachsen?

Eine Verantwortung zu übernehmen, ist eine Haltung. Ein bewusstes Ja dazu. Es ist eine Gabe und eine Aufgabe und sicher nicht immer leicht. Wenn aber die anderen die Leidenschaft dahinter spüren, mit der wir unserer Aufgabe nachgehen, dann macht das einen großen Unterschied in der Wirkung für andere.

So kommen wir zur zweiten Frage: Mit welcher Motivation nehmen wir die Aufgabe, den Dienst wahr?
Petrus polarisiert mit den Motiven: Gewinnsucht – Bereitwilligkeit / Herzensgrund: so übersetzt es Luther.
Geht es da um Geltung, Autorität, Macht, Einfluss oder gar Geld?
Es geht eben nicht nur darum, was für mich herausspringt! Ob sich die Aufgabe lohnt, entscheidet sich an dem, was es dem Anderen bringt!
Aus Herzensgrund für den Anderen. Dass ich mich dabei auch stolz fühle und es mich befriedigt, dass ich eine Aufgabe gut gemacht habe, ist obendrein gut. Das motiviert mich weiter zu machen.

Ob wir es aus Gewinnsucht oder aus Herzensanliegen machen, bringt uns zur dritten Frage: Wie üben wir unsere Verantwortung aus?
Petrus setzt uns wieder zwei entgegengesetzte Bilder vor: Herrscher und Hirte. Wobei ein guter Herrscher seine Hirtenfunktion wahrnimmt und ein Hirte gut herrschen kann. Es geht um Vorbilder.
Kann ich meinen Weg glaubwürdig gehen? Kann ich meiner Aufgabe und den anderen Menschen gerecht werden? Dabei geht es nicht um Perfektion.
Nicht der Fehlerlose ist ein gutes Vorbild, sondern wie wir mit unseren Fehlern und unserem Scheitern umgehen. Ehrlichkeit an dieser Stelle hilft, dass Andere sich auch öffnen und dass wir einander vertrauen. Geteilte Offenheit schenkt Nähe und ein gutes Miteinander.

Und Petrus schreibt, was er am eigenen Leib erfahren hat. Er, der auf Jesu Fragen immer vorne dran war und alles richtigmachen wollte, er musste erkennen, dass er auch fähig war, zu verraten und nicht zu Jesus zu stehen. Er hat in Jesu ein Vorbild. Denn gerade ihn, Petrus, fragt Jesus dreimal, ob er ihn lieb hat und gibt ihm die Aufgabe, die Gemeinde zu leiten. Petrus wird erst nach seinem Herzensgrund gefragt, dann bekommt er die Aufgabe übertragen und wächst in diese Aufgabe hinein, samt Fehlern und Schwächen. Und so wird er die Fehler und Schwächen auch seinen Mitmenschen verzeihen. So kommt er dazu, diesen Brief zu schreiben, aus den Erfahrungen, die er selber gemacht hat.

Sein Vorbild ist Jesus Christus: so wie Jesus mit ihm umgegangen ist, so sollen wir miteinander umgehen. Er hat sich allen zugewendet, die ihn brauchen: Priester wie Prostituierten, Kranken und Gesunde, Arme und Reiche, Frauen und Männern So wie Jesus seinen Weg gegangen und seine Aufgabe erfüllt hat, so können wir jeder und jede auf unserem Lebensweg gehen und unsere Aufgaben erfüllen.
Wir müssen nicht Jesus, sondern wir selbst sein: von Herzensgrund, mit unseren Fähigkeiten und unseren Fehlern, im Glauben leben. So werden wir einander in guter Weise Hirten sein. So werden wir einander Vorbilder in Jesu Sinn. Und Christus wird uns immer leiten, er wird uns vor- und nachgehen, so wie wir es brauchen. Amen

Predigerin: Barbara Neudeck, Diakonin, Berneuchener Dienst
Bild: pixabay – Kirche:  Der Gute Hirte – See Tepako, Neuseeland

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