Liebe Schwestern und Brüder, liebe Leser*innen unserer Internet-Seite!
Mit Gedanken zum Advent grüße ich Sie alle sehr herzlich am Beginn des neuen Kirchenjahres und wünsche Ihnen und Ihren Lieben Gottes Segen auf dem Weg durch diese Zeit, dem Christfest entgegen. Ihre
Sabine Zorn (BD)
Der Advent lehrt uns das Zählen: 24 Türchen im Kalender – für jeden Tag eines, vier Kerzen am Kranz aus Tannengrün – für jeden Sonntag eine, bis Weihnachten. Mit dem Zählen steigt auch die Erwartung, die Hoffnung darauf, dass etwas ganz Besonderes auf uns zukommt. Zu Recht.
In den letzten Wochen des Kirchenjahres und im nun beginnenden Advent leben wir in einer Jahreszeit, die deutlich vom Schwinden des Lichtes geprägt ist. Die Tage werden immer kürzer, die Dunkelheit nimmt zu, erst nach der Wintersonnenwende wird es langsam wieder heller werden. In der Natur erleben wir äußerlich, was uns die Liturgie als innere Bewegung erleben lässt. Denn in diesen Wochen begegnen uns in den Gottesdiensten die großen Themen des Lebens: Wir gedenken unserer geliebten Toten, blicken prüfend auf unser eigenes Leben und schauen erwartungsvoll auf das Kommen des Gottesreiches. „Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen.“ (Rö 13,12)
Bei diesen Worten stellen sich aber auch Fragen ein, in diesem Jahr ganz besonders. Die Existenz der Nacht, der dunklen Erfahrungen im Leben, ist nicht zu übersehen. Jeder Blick in die Zeitung oder die Tagesschau zeigt überdeutlich: Es gibt viel Finsternis in unserer Welt. Zählen hat in diesen Tagen noch eine andere, oft beängstigende Dimension: Inzidenzwert, Infektionsrate, die Zahl der an Covid 19 Verstorbenen wecken bange Fragen: Wie wird das weitergehen, wann wird es wieder besser? So ist für viele Menschen diese dunkle Zeit des Jahres auch geprägt von belastenden Gedanken an die eigene Zukunft. Sie rauben uns in den Nächten den Schlaf und drohen, übermächtig zu werden. Da scheint der Tag sehr weit weg zu sein, die Dunkelheit nicht enden zu wollen. Kann man das überhaupt glauben: „Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen“?
In seinem Brief an die Christen in Rom, in dem diese Worte stehen, schlägt Paulus einen österlichen Ton an. Paulus erinnert sie damit an ihre Taufe, an den entscheidenden Schritt in ihrem Leben, der sie zu Christus geführt hat, dem Licht der Welt. Im Taufgottesdienst hatten sie gehört: „Die Stunde ist da, aufzustehen vom Schlaf … Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen.“ Mit der Taufe hatten sie ihr altes Leben hinter sich gelassen und die Erfahrung gemacht, Kinder des Lichtes, Kinder Gottes zu sein. Diese Erkenntnis hatte ihr Leben grundlegend verändert, hatte Folgen gehabt für die Art und Weise, wie sie miteinander und mit sich selbst umgingen. Von jetzt an stand die Liebe im Mittelpunkt, die Liebe Gottes, aus der sie leben und die sie an andere weitergeben konnten.
Paulus schreibt an die Gemeinde in Rom, aber wir dürfen uns auch gemeint wissen. Er erinnert uns daran, dass die Taufe ein adventliches Geschehen ist: Gott kommt in unser Leben und macht die Nacht zum Tag, nicht nur zu Weihnachten. Dieses Kommen hat Folgen, denn wir werden nicht mehr bleiben, wie wir sind. Eine Folge, nicht eine Voraussetzung, dieses adventlich-österlichen Geschehens ist die Liebe, die unser Handeln prägen wird. Paulus ist überzeugt: Wer sich von Gott geliebt weiß, kann gar nicht mehr anders, als seine Nächsten zu lieben. Der weiß, was die Stunde geschlagen hat, und tut, was nötig ist, was der Liebe entspricht. Gelegenheit dazu bietet sich mehr als genug, Tag für Tag.
Der Advent lehrt uns das Zählen. Nicht nur Türchen am Kalender und Kerzen am Tannenkranz auf Weihnachten hin, sondern – gerade auch angesichts der bedrohlichen Zahlen – das Zählen darauf, dass die Finsternis nicht ewig dauert und Gottes heller Tag kommt, nein: dass er schon angebrochen ist. Der Tag, an dem die Liebe sich durchsetzt und es hell wird in den Häusern und Herzen.
Gebet
Herr Jesus Christus, Du bist das Licht der Welt. Das wollen wir so gerne glauben, aber es fällt uns auch schwer. In dieser dunklen Zeit sehnen wir uns nach Geborgenheit und Wärme. Komm zu uns mit Deiner Liebe, dann wird es hell in unseren Herzen. Mach uns bereit, Dein Licht weiterzugeben. Wir warten auf Deinen Tag und glauben: Er ist schon da.
Foto: Sabine Zorn