Predigt zu 2. Sonntag nach Trinitatis
Vor unserem Predigttext, wird eine Gegebenheit geschildert, die ich kurz nacherzählen werde, weil sie für das Verständnis des Gleichnisses Jesu wichtig ist.
Jesus ist an einem Sabbat bei einem Oberen der Pharisäer zum Essen eingeladen. Dabei war es üblich, aktuelle Themen zu diskutieren. Jesus fängt sogleich damit an. Dort hat er einen an Wassersucht Erkrankten, der zu ihm kam, geheilt obwohl es Sabbat ist. Er nimmt den Pharisäern den Wind aus den Segeln, indem er darauf hinweist, dass man ja sein Vieh auch am Sabbat gut versorgt. Dann bemerkt und kritisiert er, dass die Gäste sich einen möglichst ehrenvollen Platz, nahe an den wichtigen Personen suchen. Ebenso empfiehlt er dem Gastgeber: Er solle lieber die Bedürftigen zum Mahl einladen als Freunde und Gleichgesinnte, die sich mit einer Gegeneinladung revanchieren können. Von Gott würde er es bei der Auferstehung vergolten bekommen.
Hören wir aus Lk.14, 15-24
15Da aber einer das hörte, der mit zu Tisch saß, sprach er zu Jesus: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes!
16Er aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. 17Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist schon bereit! 18Da fingen sie alle an, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. 19Und ein andrer sprach: Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft und ich muss jetzt hingehen, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. 20Wieder ein andrer sprach: Ich habe eine Frau geheiratet; darum kann ich nicht kommen. (- fast so als würde er sagen: ich muss hingehen um sie zu besehen! Jesus hat schon Humor, wenn er erzählt!).
21Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen und Verkrüppelten und Blinden und Lahmen herein. 22Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. 23Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde. 24Denn ich sage euch: Keiner der Männer, die eingeladen waren, wird mein Abendmahl schmecken.
Jesus, pfiffig wie er ist, nimmt den Satz: „Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes“ als Vorlage auf, alle drei Themen, die er zuvor angemerkt hat, einzubauen. Er erzählt ein Gleichnis.
Wie sollen wir denn von Gott reden, wenn nicht in Gleichnissen und Bildern? Wir können uns weder Gott, noch das Reich Gottes vorstellen. Daher lässt Jesus Bilder aufleuchten, die wir ansatzweise erfassen können.
Bilder, wie auch die Träume, basieren auf Archetypen.
Archetypen sind im kollektiven Unterbewusstsein verankert. Sie entsprechen einem „Urbild“ oder einer „Urform“. Diese Urbilder sind Anteile in uns, die wir durch die kollektive Urerfahrung der Menschheit wiedererkennen. Hänsel und Gretel z.B. stehen für das Verlassenheitsgefühl und die Bedrohung in einer unbarmherzigen Welt, aber auch für die Möglichkeit, durch das gemeinsame Durchstehen, die Gefahr zu meistern.
Da ist einer, der ein großes Fest geben will, der Gastgeber.
Er will feiern und hat viele Menschen lange im Voraus eingeladen. Er freut sich und hat alles vorbereitet bzw. vorbereiten lassen.
Wir waren alle einmal Gastgeberinnen und Gastgeber. Wir wissen, wie sich das anfühlt: die Überlegungen und das Organisieren, an die Gäste denken und Einladungen aussprechen. Es ist viel Arbeit, aber mit einer guten Portion Vorfreude. Wir rechnen nicht, ob es sich lohnt – wir machen es einfach, weil wir Freude am Beisammensein haben. Und wir wollen den Gästen eine Freude bereiten und dass sie sich bei uns wohlfühlen.
Wenn Gott uns ein Fest bereitet und uns dazu einlädt, dann wird es ein wahrhaft göttlich-gutes Fest.
Die drei prägnanten Absagen stechen aus denen der nachfolgend Eingeladenen heraus. Sofort ist man dabei, herauszufinden, wer wohl damit gemeint ist.
Um es klar zu sagen: es geht um keine Menschengruppe, Religion oder Kultur!
Es geht um uns! Es sind unsere eigenen Anteile. Wir kennen es: wir geben laue, fadenscheinige Absagen, um nicht irgendwohin zu müssen. Weil wir keine Lust haben! Weil wir „soooo viiiiel“ Anderes, Wichtigeres zu tun haben! Weil ohne uns nichts läuft! Weil Anderes mehr Spaß macht!
Die Einladung war schon lange ausgesprochen – warum lege ich mir Ausreden zurecht?
Weil wir uns nicht trauen, die Wahrheit zu erkennen und zu sagen. Weil wir vermeintlich niemand kränken wollen. Dabei geht es darum, sich selbst nicht schuldig fühlen zu müssen, dass wir dieser Beziehung nicht den Wert beimessen, den sie eigentlich haben sollte.
Wie verbindlich gehen wir mit Einladungen um? Wie verbindlich gehen wir mit Gottes Einladung um? Sind wir Gottes Einladungen schon so gewohnt, dass sie uns alltäglich erscheinen und wir sie gar nicht mehr wahrnehmen? Welchen Wert messen wir Gottes Einladung zu?
Festliche Termine mit Gott: Gottesdienst, das Abendmahl, die „Stille Zeit“, das Gebet, aber auch ein Spaziergang in Gottes schöner Schöpfung, Zusammensein mit anderen, Musik und Kunst, ein gutes Essen, Entspannung – alles Einladungen Gottes. alles Gottes Feste.
Gott feiert in jedem Fall sein Fest! Ob wir dabei sind oder nicht.
Er lädt alle ein, auch „die Armen, die Verkrüppelten, die Blinden und die Lahmen“, alle auf den Landstraßen Lebende– die von der Gesellschaft Ausgeschlossenen.
Und wir sind auch eingeladen – die gutbürgerlichen kirchlichen Gemeinden. Ebenso alle VIPs und die Millionäre und Milliardäre.Gott lädt alle ein, denn alle sind für ihn gleich in ihrer Würde und Person.
Und kritisch will ich uns hinterfragen:
Die Frage ist, ob wir das aushalten, dass wir alle gleichermaßen eingeladen sind? Suchen wir nicht auch nach den besten Plätzen bei den wichtigen Personen? Setzen wir uns zu einem Kriminellen oder Aussätzigen, der die Einladung auch angenommen hat? Auch wenn wir es nicht wollen: in unseren Köpfen und unserem Habitus haben wir es so verinnerlicht mit „unseres Gleichen“ zu verkehren. Mit den vermeintlich „Bedürftigen“ beschäftigen wir uns doch lieber im Ehrenamt, als Spender oder als Wohltäter.
Gott gibt ein Fest und er lädt alle ein. Er feiert das Leben mit uns. Er feiert die Gemeinschaft mit uns. Er will alles mit uns teilen und fordert uns auf, ebenso zu handeln.
Er schenkt einem jeden von uns, was wir brauchen in diesem Fest. Den an Wassersucht Erkrankten heilt er: das ist sein Fest für den Kranken. Er lädt alle, aber auch wirklich alle ein. Bei Gott gibt es keine Hierarchie. Es geht nicht um die besten Plätze und es geht nicht darum, wer was hat.
Ein Fest, eine Freude – das Leben feiern: Nicht nur „satt und sauber“, und nicht nur vor sich „hin leben“. Das Leben besteht nicht nur aus Verpflichtungen und Arbeit. Sondern Gott will mehr für uns:
Er will, dass wir das Leben mit allen Sinnen wahrnehmen und genießen, dass uns die Gemeinschaft bereichert, uns die Kunst und Musik beflügeln. Und auch wenn wir krank oder gebrechlich sind, will Gott uns ein sinnerfülltes und von ihm begleitetes Leben schenken.
Aus seinem göttlichen Reichtum hat er uns immer wieder mit seiner grenzenlosen Liebe beschenkt. Aus seiner Fülle leben wir. Gott sei ewig Dank. Amen
Predigt: Barbara Neudeck, Diakonin, Berneuchener Dienst
Foto: Barbara Neudeck (BD)