Predigt zum 3. Advent – Matthäus 11, 2-10
Liebe Gemeinde,
das Wort „glauben“ hat zwei Aussagerichtungen.
Einmal, was ich im religiösen Sinn glaube und für wahr halte und zum anderen in dem ich ausdrücke, dass ich mir über einen Sachverhalt nicht sicher bin.
In meinem Glauben hätte ich gerne, dass mein Glaube wahr und gesichert ist. Dass alles eindeutig zu verstehen ist und für alle einleuchtend – ohne Zweifel. Aber Zweifel tauchen nach meiner Erfahrung immer wieder auf. Und so auch bei Johannes.
2 Johannes saß im Gefängnis. Dort hörte er von den Taten des Christus. Deshalb schickte er seine Jünger zu Jesus
3 und ließ ihn fragen: »Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?«
4 Jesus antwortete ihnen: »Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht:
5 ›Blinde sehen und Lahme gehen. Menschen mit Aussatz werden rein. Taube hören, Tote werden zum Leben auferweckt und Armen wird die Gute Nachricht gepredigt
6 Glückselig ist, wer keinen Anstoß an mir nimmt.«
7 Die Jünger von Johannes gingen wieder zurück. Jesus begann, zu der Volksmenge über Johannes zu sprechen: »Was habt ihr erwartet zu sehen, als ihr zu Johannes in die Wüste gegangen seid? Etwa ein Schilfrohr, das sich im Wind bewegt?
8 Oder was sonst habt ihr erwartet, dort draußen zu sehen? Einen Menschen in vornehmer Kleidung? Ihr wisst doch: Leute in vornehmer Kleidung wohnen in Palästen!
9 Oder was sonst habt ihr erwartet zu sehen? Einen Propheten? Ja, ich sage euch: Ihr habt sogar mehr gesehen als einen Propheten!
10 Johannes ist derjenige, von dem es in der Heiligen Schrift heißt: ›Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her. Der wird dir den Weg bereiten.‹
Johannes war ein mutiger Mensch. In seiner Askese versuchte er ganz Gott gefällig zu leben. Er predigte wortgewaltig und nicht gerade zimperlich. Seine Rede über das kommende Gericht Gottes bewegte viele Menschen zur Umkehr. Er prangerte öffentlich sichtbare Fehlverhalten an. Selbst den König Herodes kritisierte er, seine Frau verstoßen und seine machtgierige Nichte geheiratet zu haben. Das kostete ihm seine Freiheit und später auch seinen Kopf.
Jesus hat sich von ihm taufen lassen und Johannes erkannte ihn als den Messias, den Gesandten Gottes.
Trotz seines starken Glaubens und seines Erkennens von Jesus hatte er Zweifel – und die Umstände im Gefängnis trugen sicher auch dazu bei. Ist Jesus, der von Gott kommt oder nicht? Vielleicht auch in der Hoffnung, dass Jesus ihn aus seinem inneren Gefängnis der Zweifel wie äußeren Gefängnis befreit.
Johannes weiß, dass er sterben wird, wie so viele Propheten vor ihm. Da wird die Frage, wer ihn vor dem Gericht Gottes rettet, das er gepredigt hat und was nach dem Tod kommt, dringlicher: Sterben im Wissen, dass der Christus da ist oder ob alles noch unsicher ist. Glauben tut er, aber nicht wissen.
Jesu Antwort ist typisch jesuanisch – oder auch jüdisch: eine Frage mit einer Gegenfrage beantworten!
Wir – vor allem wir Deutschen – wollen ein Ja oder Nein. Klare Sache. „Nun mal Butter bei den Fischen!“ – sag mal eindeutig.
In den arabischen Ländern ist das nicht üblich. Da will man ins Gespräch kommen, diskutieren, Meinungen austauschen, abwägen, miteinander einen Weg finden, mehrere Optionen wahrnehmen. Mit Ja und Nein wäre das Gespräch beantwortet und beendet. Aber wären auch die Zweifel beendet? Selbst ein Ja Jesu hätte weitere Fragen offengelassen.
Jesus kaut niemandem eine Antwort vor. Jesu Antwort lädt Johannes und uns dazu ein, sich selbst ein Bild zu machen. Was hörst du, Johannes? Was siehst du? Was weißt du? Was glaubst du? Dieses Hören, Sehen und Wahrnehmen – ist das nicht der Weg, wie wir zum Glauben kommen?
„Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht:V5: ›Blinde sehen und Lahme gehen. Menschen mit Aussatz werden rein. Taube hören, Tote werden zum Leben erweckt und Armen wird die Gute Nachricht gepredigt.“
Jedem war damals klar, dass in den Worten Jesu die Worte der Prophezeiung Jesajas anklingen: Alsdann werden der Blinden Augen aufgetan werden und der Tauben Ohren geöffnet werden; alsdann werden die Lahmen springen wie ein Hirsch und der Stummen Zunge wird Lob sagen. (Jes. 35, 5+6) Jesus berichtet von der Erfüllung der Prophezeiung. Jesu weist auf das Wirken Gottes durch ihn hin.
Hört und seht und sagt davon weiter. So werden die Jünger des Johannes Jünger sein, die die gute Nachricht weitersagen.
Es ist ein Beweis und doch keiner. Wunder geschehen immer wieder – auch damals vor Jesu Zeiten. Auch heute noch gibt es sogenannte Spontanheilungen. In der Neonatologie habe ich ein gerade geborenes Baby getauft, das todkrank war. Die Ärzte hatten wenig Hoffnung, dass es die Nacht überleben würde. Aber man nächsten Tag waren die Vitalwerte normal und nach einer Woche konnte das Kind gesund entlassen werden. Man kann vieles erklären, manches nicht. Aber es ist nicht wichtig, ob wir an die Wunder glauben, die Jesus gewirkt hat. Es ist die Frage, ob wir an Gott glauben, der durch Jesus spricht und wirkt.
Glaube und Zweifel gehören zusammen. Es gibt das eine nicht ohne das andere. Der Glaube aber ist keine Wissensfrage, sondern eine Beziehungsfrage. Eine Beziehung basiert aber nicht auf Fakten, sondern auf der Liebe, die zwischen zwei Menschen entsteht. Die Liebe sehen wir an ihrem Wirken. Wir können behaupten, dass wir jemanden lieben, aber an unserem Handeln und deren Auswirkung können wir es feststellen.
Deshalb sagt Jesus nicht Ja oder Nein, sondern weist auf sein Wirken hin. Und die Beziehung ist auch eine Frage der Entscheidung. Eine Entscheidung, ob ich mich auf diesen Gott einlasse. Und das ist die Freiheit, die uns Jesus mit seiner Antwort lässt.
Es ist unsere ureigene Entscheidung, ob wir uns auf diesen Gott, der sich in Jesus unser und unserer Welt angenommen hat, einlassen.
Deswegen sagt Jesus: „Selig ist, der keinen Anstoß an mir nimmt.“ Sieh, was hinter den Wundern und hinter mir steht: der menschenfreundliche und barmherzige Gott.
Jesus hat keine Zweifel am Glauben des Johannes. Er bekennt ihn als denjenigen, der ein Bote und ein Prophet ist. Johannes, der im Glauben den rettenden Gott verkündet hat; der Jesus durch seine Mission den Weg ebnet. Jesus kann auf dem aufbauen, was Johannes vorbereitet hat. Jesus bezieht sich wieder auf Jesaja und sagt damit: die Prophezeiung ist wahr geworden: und Gott hält sich an sein Versprechen, denn Gott ist der, der da war, der da ist und immer da sein wird.
Höre und sehe –wie sieht die Antwort meines Glaubens aus?
Kann ich das Wirken der Liebe Gottes an mir feststellen? So kann mein kleiner Glaube, samt allen Zweifeln, auch von Gott erzählen und ihm den Weg ebnen, wie es Johannes tat.
Denn das habe ich erfahren: – immer wieder neu: Gott kommt zu mir. Er kommt und ist uns allen nah. Er kommt, dass Friede werde. Amen.
Predigt: Barbara Neudeck (BD) Diakonin
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