Liebe Gemeinde, Liebe ist wie ein Vollbad: Einlassen ist das Wichtigste. Und wenn man es dann schön warm hält, kann man es aushalten, bis man schrumpelig ist. Dieser kleine Spruch gilt für Liebe, Freundschaft und auch für die Beziehung zu Gott. Heute geht es um die Liebe und um die Liebe und nochmal um die Liebe, denn das Wort Liebe kommt in unserem Predigttext 15mal vor. Ich lese aus 1.Joh. 4, 7-12 nach der BasisBibel: 7Ihr Lieben, wir wollen einander lieben. Denn die Liebe kommt von Gott. Und wer liebt, hat Gott zum Vater und kennt ihn.8Wer nicht liebt, kennt Gott nicht. Denn Gott ist Liebe.9So ist Gottes Liebe bei uns sichtbar geworden: Gott sandte seinen einzigen Sohn in die Welt, damit wir durch ihn das wahre Leben bekommen.10Die Liebe besteht nicht darin, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat. Er hat seinen Sohn gesandt. Der hat unsere Schuld auf sich genommen und uns so mit Gott versöhnt. 11Ihr Lieben, wenn Gott uns so sehr geliebt hat, dann müssen auch wir einander lieben.12Niemand hat Gott jemals gesehen. Aber wenn wir einander lieben, bleibt Gott mit uns verbunden. Dann hat seine Liebe in uns ihr Ziel erreicht. Ihr Lieben, wir wollen einander lieben. Schon bei diesem Satz habe ich meine ersten Fragezeichen! Da bestimmt einer, was ich fühlen soll! Will ich das und kann ich das auf Kommando? Geht das Lieben denn so sachlich? Kann ich wirklich alle lieben? Als junge Frau hat mich ein sehr sympathischer junger Mann aus der Gemeinde gefragt hat, ob ich mit ihm „gehen wollte“ – also eine Beziehung beginnen wollte. Ich war sehr geschmeichelt und mochte ihn sehr und ich sagte zu. Ich dachte, die Liebe kommt schon noch. Aber die Liebe kam nicht! Nach drei Monaten musste ich ihm sagen, dass es über Freundschaft hinaus keine weiteren Gefühle für ihn gibt. Liebe kann man nicht machen und erzwingen. Wir wollen einander lieben. Wie kommt der Schreiber des Johannesbriefs darauf? Seine These: Die Liebe kommt von Gott. Wer liebt, kennt Gott. Seine Antithese: wer nicht liebt, kennt Gott nicht. Denn Gott ist die Liebe. Es gibt offenbar einen Zusammenhang zwischen lieben und kennen. In der Bibel wird das Wort erkennen auch für lieben gebraucht: „Mann und Frau erkennen sich und werden ein Fleisch.“ (1.Mose 2, 24). „Gott gab dem Menschen ein Herz, damit sie Ihn erkennen“ (Jer. 24, 7). Dieses Erkennen bezeichnet alles vom dumpfen Wahrnehmen, über Nachdenken, Reflektion, Selbsterkenntnis und Bewusstsein. Dieses biblische Erkennen ist aber beziehungsgebunden, ein „zwischen“ mindestens 2 Parteien. Und je offener beide miteinander umgehen, desto tiefer kann das gegenseitige Erkennen sein. Es ist ein ganzheitliches Erkennen mit Leib, Seele und Geist. Der Spruch vom Vollbad sagt: Sich einlassen ist das Wichtigste. Wo solch ein gegenseitiges Erkennen stattfindet, entsteht Liebe, Freundschaft, Respekt. Dieses Erkennen hat eine gegenseitige Wechselwirkung – wir verändern uns dadurch. „Kein Mensch hat Gott je gesehen.“ steht im Johannesbrief. Aber genau das hätten wir so gerne! Wie soll man Gott erkennen bzw. lieben, wenn er nicht sichtbar ist? Ja, Gott ist nicht sichtbar und nicht greifbar. Aber die Wirkung ist sicht- und greifbar. Die Luft um uns herum ist nicht sichtbar, aber die Luftströmung ist spürbar. Jetzt beginnt der Briefschreiber mit der Begründung seiner These. Gottes Liebe ist sichtbar geworden in seinem Sohn Jesus Christus. Dass er seinen Sohn zu uns sendet, ist der erste Grund der Liebe. Dass Jesus nach der Liebe zu den Menschen handelt und seine Macht und seine Gottessohnschaft nicht missbraucht, nicht einmal am Kreuz, ist der zweite Grund der Liebe. Dass Gottes Sohn am Kreuz stirbt, und Gott die Menschen daraufhin nicht verflucht, ist der dritte Grund der Liebe. Dass Gott uns durch die Auferstehung Jesu die Versöhnung anbietet, ist der vierte, größte und wundersamste Grund der Liebe. Wenn dieses „Vollbad der Liebe“ einen nicht warm hält, dann weiß ich auch nicht weiter. Wer Jesus sieht und erkennt, sieht in ihm die menschgewordene Liebe, sieht in ihm Gott. Die Liebe Gottes zu uns Menschen ist nicht romantisch und dadurch auch nicht wankelmütig. Seine Liebe ist wahrhaftig! Sie ist unabhängig von Gefühlen oder guten Stimmungen. Sie ist voraussetzungs- und bedingungslos! Sie ist absolut und in Christus sichtbar. Darin zeigt sich Gottes Liebe, dass er uns zuerst geliebt hat. Ihr Lieben, wenn Gott uns so sehr geliebt hat, dann müssen auch wir einander lieben. Müssen wir? Gottes Liebe beinhaltet Freiheit zu lieben. Liebe unter Zwang ist keine Liebe mehr. Aber Gott sehnt sich danach, dass seine Liebe beantwortet wird. Wie freut sich eine Mutter, wenn ihr Baby sie anstrahlt. Das Baby strahlt sie an, weil die Mutter Nahrung, Liebe, Geborgenheit, ja die ganze Welt ist. Es kann gar nicht anders. Gott sehnt sich nach dieser Begegnung „zwischen“ ihm und uns. Er sehnt sich nach Erkennen und nach Liebe. Und wir? Geht es uns nicht auch manchmal so, dass wir gar nicht anders können, als Gott anzustrahlen? So bleibt das Vollbad der Liebe warm. Und ja, das kennen wir auch, dass wir Gott als verborgen erleben. Wir spüren ihn nicht und wir sehnen uns danach, dass es wieder anders sein möge. Aber Gott hat keinen anderen Weg gewählt sich uns zu erkennen zu geben als durch Jesus Christus und durch die Menschen. Gott hat keinen anderen Weg gewählt uns zu lieben, als dass wir Menschen lieben. Ein verrückter Weg und doch geht es auf. Und das ist die Schlussfolgerung des Briefschreibers: Gott als Quelle der Liebe, die durch uns Menschen hindurchfließt zu anderen Menschen, die wiederum andere Menschen lieben und so weiter. So bleibt Gott mit uns verbunden. Dann hat seine Liebe ihr Ziel in uns erreicht. So bleiben wir im Vollbad der Liebe Gottes bis wir schrumpelig werden. So bleiben wir in der Liebe bis ins Alter, in den Tod und in der Ewigkeit. Gott verlangt nicht, dass wir alle Menschen lieben müssen oder gar gleich lieben können. Wir sind ja nicht göttlich, sondern menschlich. Es gibt viele Wege der Liebe: Zuneigung, Freundschaft, Achtung, gegenseitiges Wahrnehmen, Helfen, Respekt. Respekt ist vielleicht der kleinste Nenner der Liebe. Respekt vor dem anderen Menschen, denn dieser Mensch ist wie ich. Nicht mehr und nicht weniger. Durch dieses Kennenlernen und gegenseitige Erkennen lebt die Liebe, lebt Gottes Liebe in uns. Gott sei Dank. Amen. Predigerin: Barbara Neudeck (BD) Diakonin Bild: ai-generated