Leben gegen den Trend

Elija am Berge Horeb

Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

Sieger Köder (*1925 +2011), studierter Silberschmied, Maler, Kunstgeschichtler und Katholischer Theologe schuf in seinen 89- Lebensjahren viele eindrückliche Kunstwerke, so auch die Karte „Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln“ die Sie gerade in Ihren Händen halten.

Schauen Sie sich die Karte an – Was entdecken Sie, welche Gedanken, Gefühle oder Sehnsüchte werden wach?

Nach einer Zeit des Betrachtens lese ich den Predigttext
aus 1. Könige 19, 1-8      Elija am Horeb

1 Und Ahab sagte Isebel alles, was Elija getan hatte und wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte.
2 Da sandte Isebel einen Boten zu Elija und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast!
3 Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort.
4 Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Ginster und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter.
5 Und er legte sich hin und schlief unter dem Ginster. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss!
6 Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen.
7 Und der Engel des HERRN kam zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.
8 Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.

Elija lief um sein Leben. Er flieht. So genau weiß er auch nicht warum. Aber er weiß, dass er an der Situation nicht unschuldig ist. Er wollte doch nur beweisen, dass der Gott Israels der Mächtigste ist und die Baale ein Nicht sind. Der Beweis auf dem Karmel funktionierte. Gott hat das Opfer entzündet. Laut prasselte das Feuer. Das Volk jubelte. Und Gott hat es regnen lassen, sein Rauschen erfüllte das ganze Land.

Ganz im Triumphgefühl hatte Elija dann die 450 Baalspropheten niedergemetzelt. Klar, dass sich das die machthungrige Königin Isebel, die selbst eine Baalsanhängerin war, nicht bieten lässt und ihm nach dem Leben trachtet.

Elija ist nun in der Wüste – ganz allein – mit sich – mit seinen Gedanken. Sein Resümee fällt bitter aus: Es war alles umsonst, die Bemühungen waren vergeblich. Was hat es gebracht? Ich kann nicht mehr!
Ich kann nicht mehr   –   diese Worte sind uns doch gar nicht so fremd. Überforderung, die Kräfte lassen nach oder auch einfach nur müde, müde vom Leben – das sind Situationen die das Gefühl geben: Ich kann nicht mehr.

Elija wollte aufzeigen, wie mächtig sein Gott ist und wie der Gott Israels handelt. Dabei ist er schuldig geworden. Ist jetzt alles aus?

Und Elija erfährt: Gott ist anders. Gott lässt seine Boten nicht im Stich, so unvernünftig sie sich auch anstellen, so viel Schuld sie auch auf sich laden. Da in der Wüste – wo die Stille ihn in einen erschöpften Schlaf fallen lässt, lässt Gott einen Engel kommen. Mit Brot und Wasser. Mit dem Lebensnotwendigen wird die Not gewendet. Elija wird gestärkt.
Zweimal kommt der Engel. Elija isst und trinkt. Zweimal. Ganz gemächlich, ohne Hast und doch mit einem Ziel, mit einem Auftrag, den der Engel vorgibt: Steh auf, iss und trink, du hast einen weiten Weg vor dir.

Und Elija geht los. 40 Tage und Nächte läuft er, so wird berichtet. Die Zahl 40 ist in der Bibel eine heilige Zahl. 40 Tage oder Jahre – da ist Zeit für Veränderung, für Besinnung, für Umkehr. Zeit, um Sinn und Ziel des Lebens zu erfassen.
40 Jahre ist das Volk Israel in der Wüste unterwegs.
40 Tage fastet Jesus in der Wüste.
40 Tage bleibt Mose auf dem Berge Sinai/Horeb, wo Gott ihm erscheint.
Dorthin ist nun auch Elija unterwegs. 40 Tage   –   Allein mit sich und seinen Gedanken. Ob Elija weiß, was ihn da erwartet? Ob Elija selbst Erwartungen hat? Das wird nicht erzählt.

Der Berg Horeb ist ein Ort der Begegnung mit Gott. Elija sucht in einer Höhle Schutz. Dort fragt ihn Gott: Was willst du hier? Möchtest du vielleicht etwas von mir? Elija ist auch nach 40 Tagen noch nicht soweit, sich Gott und sich selbst anders vorzustellen. Stattdessen beginnt er wieder mit seinem Lamento: Ich habe es doch nur gut gemeint und alle sind gegen mich.

Er sagt nicht: ich will dich sehen, Gott, ich will dich hören. Sag mir doch, was ich weiter tun soll. Er ist noch in seinem Bild von sich und Gott gefangen. Gott tritt gewaltig auf, laut und eindrucksvoll, damit er die Menschen überzeugt. Und Gott scheint das Bild zunächst weiter zu bedienen: Sturm, Erdbeben und Feuer – alle Naturgewalten werden aufgefahren – aber sie bleiben leer. Gott ist nicht im Sturm, nicht im Erdbeben und auch nicht im Feuer. Gott ist nicht in Macht, Gewalt und Zerstörung zu erfahren.
Das tut einerseits gut. Wir brauchen keinen Kriegsgott, keinen Donnergott. Vielmehr sehnen wir uns nach Frieden, nach Gewaltlosigkeit, nach Einheit mit der Natur. Wir fürchten Waldbrände, Überschwemmungen, Stürme, Kriege.

Andererseits sehnen wir uns auch nach einer starken Hand, die den Diktatoren Einhalt gebietet, den Soldaten die Waffen aus der Hand reißt, das Corona-Virus aus der Welt verbannt.

Gott lässt sich in einem stillen, sanften Sausen erfahren – oder wie Martin Buber (Philosoph) schreibt: in einer Stimme verschwebenden Schweigens.
Also: Gott zeigt sich in der Stille. Im Hinterher-lauschen. Vielleicht nur Sekunden – wie im Nachklang eines Akkords. Und dann schon wieder nicht mehr greifbar. Wie ein Hauch – und dann wieder weg.

Ja, es gilt auszuhalten: Gott ist unverfügbar. Er lässt sich nicht festhalten. Nicht vereinnahmen. Und manchmal scheint er auch so fern, gerade dann, wenn wir uns danach sehnen, dass er uns an der Hand hält oder unserer Not ein Ende macht.
Mit den Vorfahren im Glauben erfahren wir aber: Gott ist da. Oft erst im Nach-sehen, im Nach-lauschen erkennen wir, dass Gott in uns wirkt, immer wieder neu.

Elija weiß um den heiligen Augenblick und schlägt seinen Mantel vors Gesicht. Gott kommt bei ihm und in ihm an und so tritt Elija als neuer Mensch aus der Höhle. Mit einem neuen Auftrag wird er seinen Weg gehen.

Elija ist Gott begegnet. Kann uns das auch geschehen? Gott erfahren, Gott finden? Was muss ich tun, damit mir das auch geschieht?
Dorothee Sölle beschreibt es so: »Es ist ein Gott, der immer wieder erfahren und gefunden werden muss, indem wir uns für ihn entscheiden.«
Sich für Gott entscheiden und dabei erfahren, dass das, was war, an Gewicht verliert. Nicht meine Verdienste und auch nicht meine Verfehlungen zählen. Nur die Sehnsucht nach dem Einen, der zu mir spricht – im Hauch, im Schweigen. Es lohnt sich, sich auf Gott einzulassen und zu spüren: Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln. Amen.

Predigerin: Margret Häßler

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